Remisens - Ratgeber

Lust und Wechseljahre Teil 1

Einmal ganz ehrlich: Was bedeuten die Wechseljahre für die Sexualität? „Es gibt Veränderungen, aber auch Chancen“, sagt Christiane Kolb, Referentin und Beraterin für Sexuelle Bildung aus Hamburg 

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Während der Wechseljahre können psychische und hormonelle Veränderungen die Sexualität komplett auf den Kopf stellen.

Willkommen im Klub: man spürt schon einen Stich im Herz, wenn die Regel unregelmäßig wird. Wenn Hitze hochkocht und die Laune im Sinkflug bleibt. Hallo, die Wechseljahre stehen vor der Tür. Tschüss, sagt man, und würde sie am liebsten aufhalten. Aber es nützt ja nichts, weglaufen ist etwas für Feiglinge. Aber... Schönheit, Jugend, Zukunft stehen auf dem Spiel. Und die Frage: Wird mit Abschluss der Fruchtbarkeit das Begehren, Begehrt werden und der körperliche Genuss kleiner?

Das muss nicht sein. Begrüßen Sie die Zeit. Und informieren Sie sich – zum Beispiel hier. Denn wer weiß, was kommt, kann sich gut darauf einrichten, was anders wird, für Körper, Lust, Psyche und Partnerschaft. Und selbst über die Schwelle schreiten, die neue Lebensphase gestalten, Lust inklusive.

Der Körper: Was bewirkt die Veränderung der Hormone?

Ganz konkret und biologisch: fehlt das Östrogen, wird die Vaginalschleimhaut dünner und trockener, die Klitoris ein wenig unempfindlicher, sagen Studien. Halb und halb, die eine Frau spürt keinen Nachteil, die andere schon. Auch die Erregungsphase bis zum Höhepunkt kann etwas länger werden. Die Veränderungen haben schon Jahre vor den Wechselbeschwerden begonnen, vielleicht ohne dass Sie es bemerkt haben. In allen Belangen geht es immer um „leicht“, „etwas“, „ein bisschen“ anders!

Schlimm? Nein. Denn hier darf man aushelfen. Für’s Wohlgefühl im Intimbereich mit befeuchtender Vaginalcreme. Für den Sex bitte ohne Scham und Scheu mit Gleitgels, am natürlichsten mit einem wasserbasierten Präparat. Leidet man darüber hinaus, sollte man den Gynäkologen oder die Gynäkologin fragen.

Ihren privaten Schatz, die Sexualität, die körperliche sexuelle Reaktion behalten Sie – die warme Lust im Becken, das natürliche Anschwellen von Schamlippen und Klitoris, die Sensibilisierung, Empfindsamkeit der Liebesorgane. Der Weg zum Genuss bleibt derselbe.

Das zeigen übrigens auch Zahlen: einige Frauen sagen, dass Sex in ihrem Leben nach den Wechseljahren etwas weniger wichtig wurde. Andere aber finden keine Veränderung – beruhigend, denn das bedeutet, dass es hier keinen Automatismus gibt. Das beweisen auch Berichte von Frauen, die erst jenseits der 40, 50 Jahre oder 60 Jahre den ersten Orgasmus erlebt oder zu befreiter Sexualität gefunden haben. „Drin“ ist sexuell für uns Frauen das, was wir suchen.

Die Libido: Bleibt die Lust auf Nähe aus?

Keine Lust mehr? Naja, den Kick am Eisprung, den viele Frauen an den fruchtbaren Tagen beschreiben, der kommt nicht wieder. Allerdings kennen ihn Frauen, die jahrzehntelang hormonell verhütet haben auch nur vom Hörensagen. Und so wichtig war er nun auch nicht. Insgesamt zeigen Studien, dass die Lust auf Lust mit den Wechseljahren im Durchschnitt leicht sinkt. Aber wiederum: nur leicht, ein paar Prozentpunkte. Viele Frauen beschreiben übrigens, dass zwar die Häufigkeit der erotischen Treffen gesunken sei, aber die Zufriedenheit, also „wie gut es dann war“ gestiegen ist. Da tauschen wir gerne, Qualität statt Quantität.

Insgesamt gesehen muss man aber eines wissen: es gibt, Wechseljahre hin, Wechseljahre her, viel mächtigere Einflussfaktoren auf die Libido: im Positiven die Einstellung zum Sex, die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, die Offenheit für erotische Gedanken und Gefühle. Negativ wirken sich Stress, Zeitmangel, Krankheiten und Unzufriedenheit in der Partnerschaft aus. Die Wechseljahre sind nur ein Steinchen im Mosaik. Natürlich machen Schlaflosigkeit und Hitzewallungen nicht wirklich Laune auf Nähe. Aber sie gehen vorbei, und man kann sie mit einem liebevollen Umgang mit sich leichter nehmen. Frauen, die positiv gestimmt und akzeptierend durch die Wechseljahre gehen, leiden weniger unter den Beschwerden.

Die Psyche: Wie viel Frau bleibt man jenseits der Fruchtbarkeit?

Keine Kreuze oder Kreise im Kalender. Binden und Tampons in der Schublade. Der Abschied von der weiblichen Potenz, buchstäblich, ein Kind hervorbringen zu können, trifft viele hart. Auch wenn wir wissen, dass der Abschied von der Fruchtbarkeit biologisch gesehen sogar schon vor dem 40 Lebensjahr eingeläutet wird. Trotzdem, Gefühl ist Gefühl: die Fruchtbarkeit macht für viele einen großen Teil ihrer Weiblichkeit aus. Und nun?

Es hilft, sich klar zu machen, dass man Frau auch jenseits von Fruchtbarkeit ist. Frauen ohne Kinder sind ebenso weiblich, Frauen ohne die Regel auch. Wir sind, was wir fühlen, immer noch ganz Frau. Mit dem kleinen Vorteil, den man auch würdigen sollte: der Zyklusstress ist vorbei. Schmerzen, Hygieneversorgung, Verhütung, das ist zwei Jahre nach der letzten Regel ein Problem der Vergangenheit. Körperliche Begegnungen sind nun Liebe pur, zum Selbstzweck. Das kann die Sexualität sogar befreien und beflügeln.

Teil 2 folgt bald auf den Wechselweibern.

 

Basis des Artikels sind Studien zur den Wechseljahren der North American Menopause Society, aus den Zeitschriften Journal of Midlife Health, The Annals of Family Medicine, JAMA Internal Medicine, Universität Leipzig, Evidence Based Complementary Alternative Medicine, Journal of Women’s Health, Menopause International, Menopause. The Journal oft he North American Menopause Society, The Journal of Sexual Medicine.