Remisens - Ratgeber

Lust - Warum ein positives Selbstbild gut tut

Man erlebt Lust von ganzem Herzen, wenn Körper und Seele in Balance sind. Sex­ualität und Selbst­kritik passen nicht zu­sammen. Christiane Kolb, Beraterin und Referentin zum Thema Liebe und Sex­ualität erklärt, wie man Lust und Liebe von falschen An­sprüchen be­freien kann.

Strahlend junge Frau die mit sich selbst im Reinen ist.© Jacob_Lund/fotolia.com
Wichtig ist Lust und Liebe von falschen Ansprüchen zu befreien.

Was zeigt der Blick in den Spiegel? Eine Frau mit Vorzügen... und Nachteilen. Leider liefert der Kopf meist ungefragt einen kritischen Kommentar dazu. Warum dind Nase, Mund, Augen oder Bauch, Beine und Po so, wie sie sind? Das ist doch nicht schön genug! Damit ist man in bester Gesellschaft: Fast 70 Prozent aller Frauen finden, sie hätten zu viel Gewicht, mehr als die Hälfte vergleicht sich ständig mit anderen und fühlt sich schlecht dabei, ergab eine aktuelle Umfrage der Zeitschrift "Der Stern" unter sage und schreibe 6000 Frauen.

Klar wären wir lieber perfekt, Selbstoptimierung ist das Ding unserer Zeit. Dabei vergessen wir jedoch, dass sich Perfektion und Sexualität (genau wie Ideal und normales Leben) ausschließen. Ein Moment kann perfekt sein – Menschen nicht, sie sehen nur im Film und auf Hochglanzfotos in allen Lebenslagen, Sexstellungen eingeschlossen, göttlich aus. Schminke, Styling und Retusche sei dank. Erinnern wir uns: Lust und Liebe sind genau das Gegenteil davon. Sie sind ungeschminkt, nackt, ehrlich bis tief in die Seele. Was nicht immer leicht ist. Aber, so formuliert es eine befreundete Gynäkologin: „Mit eingezogenem Bauch kann man keinen Orgasmus bekommen.“

Dafür gibt es sogar eine biologische Begründung: Vor dem Höhepunkt, so zeigte der niederländische Neurobiologe Gert Holstege, schaltet das Gehirn das Kontrollzentrum aus, genau die Instanz, die für das kritische Denken zuständig ist. Selbstbeobachtung verhindert geradezu den Genuss und Höhenflug. Und nun? Gilt es, Ansprüche zu hinterfragen, Zufriedenheit nicht durch das Abhaken von außen übernommener Ziele zu erreichen, sondern in der Haltung zu sich.

 

Denkanstöße für ein positives Selbstbild:

Versöhnen Sie Körper und Seele. Es macht keinen Sinn, den Körper als Objekt, als Feind im eigenen Bett zu be­trachten. Er ist unsere Heimat und unser Zugang zur Welt. Machen Sie Ihren Frieden mit ihm und behandeln ihn – also sich selbst freundlich. Gönnen Sie sich so viel Ent­spannung, Pflege, Ruhe, gesunde Ernährung und Sport wie möglich, hören Sie auf Bedürfnisse. Fühlen Sie sich wohl in Ihrer Haut.

Vermeiden Sie Vergleiche. Denken Sie daran, dass soziale Medien, Werbung, Frauen­zeitschriften nicht immer die Real­ität abbilden. Die Ideal­bilder können zu geringerer Zufrieden­heit mit dem eigenen Körper, höheren Ansprüche an sich und verzerrten Vor­stellungen, was normal ist führen. Den kritischen Blick auf den weib­lichen Körper haben wir übrigens aus Kindheit und Gesell­schaft im Gepäck: Frauen werden ungleich mehr an Äußer­lichkeiten gemessen als Männer. Das ist ungerecht. Lassen wir uns nicht mehr darauf ein. Setzen Sie sich zum Ziel, weniger zu be­werten.

Verehren Sie Ihre positiven Seiten. Stellen Sie öfter Ihre Vorzüge in den Mittel­punkt. Finden Sie im Spiegel drei Lieblings­spots? Berühren Sie etwa Ihr schönes Schlüssel­bein, loben Sie ihren Kurven­schwung, lächeln Sie sich an. Manche Frauen malen, modellieren, fotografieren ihre Vorzüge sogar. Sie können stolz darauf sein. Und mit den nicht ganz so guten Stellen freunden Sie sich an. Sind Sie zufrieden, verstärkt sich Ihre Aus­strahlung ohne Hungern, Schwitzen, Shoppen.

Vertreiben Sie negative Gedanken. Natürlich gibt es kritische Momente, auch im Bett. Beim nächsten Mal jedoch winken Sie den negativen Subtext durch. Schicken sie ihn weg, ohne ihm Aufmerksamkeit zu geben und kon­zentrieren Sie sich auf das, was Sie gerade erleben, die Atmung, die sinnlichen Empfindungen. Wie fühlt sich Haut, Wärme, Streicheln, Bewegung an? Die Augen zu schließen ist dabei nicht uncool, sondern hilft vielen Frauen, sich auf ihre Em­pfindungen zu konzentrieren.

Verinnerlichen Sie Genuss und Liebe. Lassen Sie sich von dem Gedanken leiten, dass sich Ihr Körper jede Streicheleinheit absolut verdient hat. Als kleine Erinnerung: Ihr Partner möchte Sie lieben, niemand anderen. Und zwar jetzt, und so wie Sie sind.

 Christiane Kolb, Freie Autorin/ Beraterin/ Referentin für sexuelle Bildung