Läuft es im Bett nicht rund, behält man das eher für sich. Schließlich ist kein Thema so heikel wie dieses, denn es fragt sich: Ist einer nicht „gut“ genug? Gar Schuld? Was stört? Stimmt etwas nicht mit der Liebe? Diese Fragen rücken gefährlich nah an unser Selbstverständnis als Mann und Frau, als Paar, ans Ego heran. Darum fällt es oft schwer, dem Partner die Sorgen zu gestehen. Zugleich belastet die unerfüllte Sexualität als integraler Teil der Partnerschaft aber auch die Beziehung. Ein Teufelskreis.
Dafür gibt es Profis: Frauenarzt oder -ärztin sind gute Ansprechpartner – sofern sie offen sind und Zeit haben für das delikate Thema. Manche Praxis legt den Fokus eher auf Gesundheit und Vorsorge. Auch Sexualberatung lohnt, braucht aber Mut und Überzeugung.
Aber wer weiß – vielleicht ist es auch nicht so schwierig. Für eine erste Einschätzung finden Sie hier einige grundsätzliche Gedanken zu Ursachen von sexuellen Problemen. Diese Fragen würden Ihnen Profis aus Sexualwissenschaft, Medizin oder Psychologie so oder ähnlich auch stellen. Also los!
Die erste Frage: Seit wann?
Die Frage ist wichtig, unabhängig vom Problem: der Zeitpunkt, an dem die „Lustbremse“ auftauchte kann etwas über die Ursache verraten. Kam die Unlust also schleichend – oder war schon häufiger zu Gast? Das würde eher für eine grundsätzliche Unstimmigkeit mit dem Körper, der Haltung zur Sexualität sprechen. Oder erkennen Sie eine Verbindung zu einem Ereignis in ihrem Leben? Das könnte eine Geburt sein, eine Umstellung der Lebens- und Liebesumstände, ein unausgesprochener oder nicht erfüllter Kinderwunsch, eine Schwangerschaft, die nicht glückte. Oder eine Entwicklung in einem anderen Bereich: ein neuer Job oder Jobverlust, Stress oder Misserfolg, ein Ortswechsel, Verlust eines nahestehenden Menschen. Auch eine gute Frage: War die Sexualität mit einem anderen Partner anders? Wenn Sie einen Zusammenhang herstellen können, haben Sie eine wichtige Spur.
Die zweite Frage betrifft die Gesundheit
Natürlich können sich gesundheitliche Veränderungen auf die Lust auswirken, selbst wenn der Zusammenhang nicht offensichtlich ist. Denken Sie an diagnostizierte Erkrankungen, aber auch scheinbare Kleinigkeiten. Nehmen Sie ein neues Medikament, das sich auf Stoffwechsel, Stimmung oder Hormone auswirken kann? Checken Sie den Beipackzettel. Die Pille? Manchmal kann ein Präparatwechsel helfen. Auch die körpereigenen Hormonwerte schwanken: Ist die Schilddrüse in Ordnung? Selbst die Sexualhormone – nomen est omen – unterliegen Schwankungen. Stress hemmt sie. Aber auch die Östrogenwerte können sinken, schon bevor sich eindeutige Symptome der Menopause zeigen, mit negativen Folgen für die Libido, Feuchtigkeit der Scheide, Geschmeidigkeit der Schleimhaut. Hier können Gels, hormonelle oder hormonähnliche, auch pflanzliche Präparate helfen. Auch eine nicht auskurierte Pilzinfektion kann für ungute Gefühle sorgen. Beide Partner sollten geduldig behandeln.
Manchmal liegt die Ursache des Problems beim Partner. Zwar wird nicht wenigen Frauen nach Geburten suggeriert, sie seien „zu weit“, doch das sollte nach bewusstem Training für den Beckenboden kein Thema sein. Wenn die Reibung fehlt, kann ein Grund auch zu viel Feuchtigkeit sein, es kann aber auch eine Erektionsstörung des Mannes dahinter stecken. Wenige wissen, dass eine Arteriosklerose nicht nur die Herzgefäße, sondern auch die der Schwellkörper verengt: der Penis wird oder bleibt nicht fest. Ein Zusammenhang, auf den Professor Frank Sommer, Leiter der Abteilung Männergesundheit am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf immer wieder aufmerksam macht. Männer sollten bei Erektionsproblemen dringend ihr Herz untersuchen lassen.
Insgesamt gilt hier: finden Sie einen zutreffenden Punkt aus dem Bereich der Gesundheit, können Ärzte helfen.
Frage Drei heißt: Psyche oder Körper?
Als erste Einordnung hilft: Klappt es mit der Lust bei beiden im Alleingang? Denn dann hat keiner der Partner ein ureigen körperliches Problem. Und... nur nicht mit ihm? Dann geht es vielleicht um Beziehung und Umgang, Werte und Wertschätzung, Verhütung, Macht. Ganz grundsätzlich können es aber auch Bedingungen der Erregung sein, die nicht passen. Wer kommt wie schnell? Mit welchen Techniken, Vorlieben? Bestehen große Unterschiede, kann man die kaum kurzfristig ausräumen – und sollte lieber das Liebesspiel mit Rücksicht darauf gestalten.
Und bei inneren, persönlichen Barrieren? Kann man fragen unter welchen Bedingungen die Freiheit für die Lust fehlt. Wie sind Ihre Erwartungen? Was stimmt nicht an der Situation? Welches sind ihre Glaubenssätze zur Sexualität einer Frau? Was erlauben Sie sich, was nicht? Ist das realistisch? Soll das so bleiben?
Und zuletzt was hilft?
Wenn Sie genauer identifiziert haben, was stört – Belastungen jenseits des Bettes, Gesundheit, Psyche, Routinen der Erregung, fehlende Techniken, können Sie erste Schritte in Richtung Verbesserung unternehmen. Etwa Gespräche mit dem Partner, deren Richtung immer ein gemeinsames Ziel sein soll. Statt „du machst nie“ formulieren Sie „könntest du bitte nächstes Mal“. Oberstes Credo: wir wollen es besser machen!
Oft haben kleine Erkenntnisse eine große Wirkung: So ist das also? Jetzt verstehe ich! Und damit suchen Sie nun nicht nach Perfektion, sondern kleinen Veränderungen in der intimen, menschlichen Erfahrung miteinander.
Christiane Kolb, 30.08.2019
Autorin und Beraterin mit Masterabschluss
„Angewandte Sexualwissenschaft“ aus Hamburg
Mehr Antworten
Oft hilft mehr Wissen und Übung. Diese Quellen sind zu empfehlen:
Sexuelles Lernen im Netz
Die Website www.omgyes.com – steht für „Oh my good, yes“ also soviel wie „Oh ja, das fühlt sich gut an“, vielleicht sogar „ich komme“ – verbindet sexuelles Lernen für Frauen und Paare mit persönlichen Berichten und Techniken der Lust in Videos. Daraus entstehen auch Studien, bei denen Gynäkologie-Professorin Debby Herbenick vom Kinsey Institut an der Indiana University federführend ist. Man erhält Zugang durch einen einmalige Gebühr, die weitere Forschung und Beiträge ermöglicht.
Üben und informieren
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- Die Autorin dieses humorvollen wie wissensreichen Buches war Leiterin des Bereiches Gesundheit und Bildung an einer amerikanischen Hochschule, mit Spezialisierung auf die Sexualität. Inzwischen widmet sie sich ihren Themen als Autorin Vortragsrednerin. Unter www.emilynagoski.com findet man Videos und Podcasts der Expertin auf englisch.