Remisens - Ratgeber

Lust und Lebenserfahrung: Warum wir im Bett sind, wie wir sind!

Jeder Mensch hat ein sexuelles Selbst, die eigene Art, Sexualität zu leben. Doch woher stammt es? Darum geht es hier – denn es lohnt sich, dieses Ich weiterzuentwickeln: lebenslang Lernen für die Lust.

Paar das glücklich ist im Bett

Wie ticken wir im Bett? So grob wissen wir alle, was geht und was nicht. Was wir rundheraus ablehnen und was irritierend erregend wirkt. Doch wie entsteht das erotische Ich? Lassen sich Vorstellungen und Vorlieben verändern? Die grobe Antwort: ganz grundlegend nicht, aber lebenslang lernen funktioniert auch im Liebesleben. Das sollten wir nutzen.

Die körperliche Basis

Zuerst die Grundlagen: wir sind von Geburt an mit einem Körper ausgestattet, der alles mitbringt, was es zur Lust braucht. Organe, Rezeptoren, Nerven, die Verarbeitung im Gehirn, die Fähigkeit zum Lustempfinden. Aber schon hier gibt es Unterschiede, wie Forschung zeigt – Nuancen in den Hormonen, im Körperbau. Und praktisch zeigt sich: was sich für die eine Person zärtlich anfühlt, kitzelt die nächste nur. Was der eine für zu fest hält, ist für die andere nicht handfest genug. Jeder fühlt anders. Gut ist, wenn man sich bewusst macht, wie der eigene Körper reagiert.

Die psychologische Entwicklung

Kommen wir zu dem Teil unserer Persönlichkeit, der auf Lernen über Sexualität beruht: wir sind geformt durch soziale Informationen und eigenes Erleben. Die eine Komponente umfasst, was wir am eigenen Leib erlebt haben, Berührung, Umgang und Verhältnis zum Körper in der Kindheit bis zur eigenen sexuellen Aktivität. Die andere Komponente betrifft die soziale Normen, Überzeugungen, Wertvorstellungen aus dem Elternhaus und Umfeld. Die Chancen sind groß, dass einiges davon hängen geblieben ist und nun Gefühle, Bewertungen, Ideale, Ängste prägt – und unser Liebesleben beeinflusst.

Darum ist eine der Hauptfragen für die sexuelle Persönlichkeit: Wissen Sie noch, wie die Sexualität zu Ihnen kam? Wie wurden Sie aufgeklärt? Welche Haltung zur Sexualität haben Ihnen Ihre Eltern vermittelt? Wie konnten Sie die körperlichen Empfindungen aufnehmen?

Auch wenn die Gesellschaft heute offener ist, was weibliche Lust betrifft, wird das Thema in der Erziehung oft gemieden. Doch wer kennt die eigene Lust, den Weg zum Höhepunkt besser, Mann oder Frau? Es gibt Studien die zeigen, dass Frauen ihre Erregung häufig nicht als solche wahrnehmen. Probandinnen sahen erotische Filme, die Forscher maßen Symptome der Erregung, doch viele Frauen gaben an, nichts davon zu spüren. Festgestellt wurde, dass die Schere zwischen psychischem Bewusstsein und körperlichen Anzeichen der Lust bei Frauen weiter auseinander geht als bei Männern. Umgekehrt haben Frauen oft den Eindruck, die Libido verloren zu haben ­– wo es okay wäre, Erregung einfach selbst aktiv hervorzurufen.

Es herrschen oft noch gelernte Rollenmuster wie „das ist nicht in Ordnung für eine Frau“ – etwa Begehren zu spüren, laut zu sein (in der Lust), Aufmerksamkeit zu fordern. Lange wurde das Bild der passiven Frau genährt. Angeblich würde beim Sex mit dem angeblich richtigen Mann, der angeblich aus dem Nichts erotisch alles richtig macht, die weibliche Lust durch die Decke gehen: der Richtige kommt und alles klappt. In Filmen und Romanen wird dieses Szenario auch heute unablässig wiederholt. Doch eine neue Studie des Kinsey Instituts im US-Bundesstaat Indiana unterstreicht: der Mann alleine, egal wie versiert mit seinem Geschlecht reicht nicht. Nur knapp jede fünfte Frau gab an, dass sie bei bloßem Verkehr zum Höhepunkt kommt – jede Dritte benötigt zusätzliche Stimulation der Klitoris, ein weiteres Drittel der Befragten gab an, dass sich der Höhepunkt mit Stimulation einfach besser anfühlt. Gut zu wissen fürs Ego!

Die persönliche Einordnung

Unser sexuelles Selbstkonzept korrespondiert mit unserer Einordnung von Sexualität: Was bedeutet Sex für uns?Ist er Ausdruck der Liebe? Beziehungspflege? Geben? Nehmen? Bestätigung für uns als Frau? Pflicht, Fitness-, manchmal Leistungssache? Gehört einfach dazu? Ein egoistischer Impuls, man holt sich, worauf man Lust hat? Bitte nicht falsch verstehen: Sex kann und darf all das sein. Je nach Phase in Leben und Liebe, Tag und Stunde, Lust und Laune. Die Frage ist eher, ob wir uns bewusst sind, dass unser privates Konzept dazu auch unsere Erlebnisfähigkeit steuert.

Vom lebenslangen Lernen

Nun zum positiven Ausblick: wir lernen lebenslang, verändern uns. Die Lust bleibt bis ins hohe Alter. Gerade erst hat die Psychologin Karolina Kolodziejczak von der Berliner Humboldt-Universität in einer Studie gezeigt, dass sexuelle Aktivität und Gedanken im höheren Alter abnehmen, doch im Erleben von Gefühlen wie Intimität und Geborgenheit zeigen sich im Vergleich zu jungen Menschen nur geringe Unterschiede. Ein Drittel der Älteren hat sogar mehr oder gleich viel Sex wie Jüngere.

Entscheidend dafür ist die Haltung zu Lust, Beziehung, Geschlechteridealen. Und jede Veränderung eine Chance, neue Schwerpunkte zu setzen. Wie? Im Kopf, indem man Einstellungen verändert: ich darf, ich will, ich meine. Und im echten Leben mit: ich teste, ich probiere. Sammeln Sie neuen Erfahrungen. Verändern Sie die gewohnte Stellung, es muss nichts Wildes sein, fassen Sie anders an, führen Sie, statt verführt zu werden. Das sind kleine Dinge. Die in intimen Momenten zu ändern kann jedoch eine große Sache sein.

Sie werden sehen: abzüglich ein paar falscher Annahmen und Tabus aus alten Zeiten kann das Leben und die Lust schöner, spannender und erfüllender werden. Und das sexuelle Selbst – vielseitiger.